Begründung

I. Allgemeines

Der vorliegende Gesetzentwurf enthält erstmals eine Zusammenfassung der rechtlichen Grundlagen für die ehrenamtliche Mitarbeit in der Landeskirche. Bislang waren die erforderlichen Regelungen – anders als in den meisten anderen Landeskirchen – in die Kirchengemeindeordnung (§ 24a) und in die Kirchenkreisordnung (§ 45 der bis zum 31. Dezember 2022 geltenden Kirchenkreisordnung, der bis zum Inkrafttreten neuer Regelungen fortgilt) integriert.

Ziel des Gesetzentwurfes ist es, attraktive Arbeitsbedingungen für das sich verändernde ehrenamtliche Engagement in einer sich verändernden Kirche zu ermöglichen und diese in ausreichendem Maß rechtlich und organisatorisch abzusichern. Gleichzeitig soll der Gesetzentwurf Räume für künftige Entwicklungen öffnen und nicht zu viel regulieren.

Aufbauend auf Vorarbeiten der 25. Landessynode wurde der Gesetzentwurf entsprechend den landeskirchlichen Grundsätzen für die Gestaltung von Beteiligungsverfahren vom 28. November 2019 (Kirchl. Amtsbl. 2020, S. 56) seit Februar 2021 von einer Arbeitsgruppe erarbeitet, der unter Federführung der Landespastorin für Ehrenamtliche zwei Vertreter*innen aus dem Referat für Kirchenentwicklung und Visitation sowie der Rechtsabteilung des Landeskirchenamtes, drei Mitglieder des Ausschusses für kirchliche Mitarbeit der Landessynode und der Studienleiter für Theologie und Ethik aus der Evangelischen Akademie Loccum angehörten.

Die wichtigsten Arbeitsschritte der Arbeitsgruppe sind in dem Bericht des Ausschusses für kirchliche Mitarbeit betr. Vorbereitung eines Ehrenamtsgesetzes vom 1. November 2023 (Aktenstück Nr. 84) zusammenfassend beschrieben. In der Schlussphase der Beratungen sind noch Regelungen hinzugekommen, die auf die Beschlüsse der Landessynode zur Prävention gegenüber sexualisierter Gewalt während der Tagung im Juni 2024 zurückgehen.

Wesentliche Meilensteine auf dem Weg zu dem vorliegenden Gesetzentwurf waren zwei Fachtagungen:

  • die Tagung „Freiwilliges und berufliches Engagement in der Kirche von morgen“ vom 08. - 09. Juli 2022 in der Evangelischen Akademie Loccum, die mit 60 Teilnehmenden die wachsende Bedeutung des Ehrenamtes in der Kirche von morgen näher untersuchen und Herausforderungen identifizieren sollte, die sich aus dieser Situation ergeben, und
  • der Fachtag Ehrenamt am 22. September 2023 im Stephansstift Hannover, der die bisherigen Überlegungen der Arbeitsgruppe nicht nur mit den Positionen kirchlicher Vertreter*innen aus verschiedenen Arbeitsbereichen, sondern auch mit den Erfahrungen von Vertreter*innen aus verschiedenen Bereichen des zivilgesellschaftlichen Engagements außerhalb unserer Kirche abgleichen sollte.

Einvernehmen bestand in der vorbereitenden Arbeitsgruppe darüber, dass die wesentlichen Aussagen der 12 Standards für das Ehrenamt vor dem Hintergrund der Zielsetzung des Gesetzentwurfs eine wichtige Grundlage für ein künftiges Ehrenamtsgesetz bilden sollen. Gleichzeitig war aber auch zu berücksichtigen, dass die 12 Standards für das Ehrenamt vor allem verbindlichere Formen ehrenamtlicher Mitarbeit im Blick haben und auf klare Aufgabenbeschreibungen und geregelte Rahmenbedingungen abzielen. Gegenüber manchen Formen des ehrenamtlichen Engagements, wie sie sich seit der erstmaligen Herausgabe der 12 Standards für das Ehrenamt im Jahr 2013 entwickelt haben, kann eine ungeprüfte Übernahme der Standards daher auch zu einer Überregulierung führen.

Während der Arbeit am Gesetzentwurf und insbesondere durch die beiden Fachtagungen ist deutlich geworden, dass ein Ehrenamtsgesetz für eine Kirche, die sich in einem sich beschleunigenden Transformationsprozess befindet, weitere Herausforderungen berücksichtigen muss:

  • Die Vielfalt der Formen, in denen Menschen sich engagieren, wird nicht nur in unserer Kirche, sondern in der gesamten Zivilgesellschaft kontinuierlich größer. Die langfristige Bindung an ein Amt, das ehrenhalber wahrgenommen wird, wird seltener; stattdessen gewinnen neue, stärker projektbezogene und kürzerfristige Formen, die die Begabungen von Menschen aufnehmen und Raum für selbstbestimmtes Engagement eröffnen, zunehmend an Bedeutung.
  • Die Konzepte der Kirchenkreise für den Planungszeitraum 2023 – 2028 zeigen die wachsende Bedeutung ehrenamtlichen Engagements in der Verkündigung, der Seelsorge und der Konfirmandenarbeit, also in Arbeitsfeldern, die bisher klassischerweise zu den pastoralen Aufgaben gehört haben. In diesen Arbeitsfeldern stellt sich die Frage nach angemessenen Standards der Qualifizierung und nach einer angemessenen Begleitung dieses Dienstes immer deutlicher.
  • Ungeachtet der Verankerung im allgemeinen Priestertum aller Getauften wird es immer wichtiger, ehrenamtliches Engagement in der Kirche in Beziehung zum allgemeinen Kontext zivilgesellschaftlichen Engagements zu setzen, die Rahmenbedingungen des ehrenamtlichen Engagements in der Kirche entsprechend zu gestalten und die Zusammenarbeit mit anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen zu suchen. Das ist nicht zuletzt eine Konsequenz aus dem Öffentlichkeitsauftrag der Kirche, wie er in Artikel 5 Absatz 2 der Kirchenverfassung beschrieben wird, und aus einem daran anknüpfenden Verständnis als Kirche im Sozialraum mit einem Auftrag, der über den kirchlichen Binnenraum hinausgeht.

Es wird noch im Einzelnen darzulegen sein, an welchen Stellen der Gesetzentwurf diese Überlegungen aufnimmt. Wichtig ist es aber zu betonen, dass der Gesetzentwurf aus dem zuletzt genannten Grund anders als die Kirchenverfassung in Artikel 11 Absatz 2 und 3 generell nicht mehr von einem ehrenamtlichen Dienst, sondern vom ehrenamtlichen Engagement in der Kirche spricht. Noch konsequenter wäre es gewesen, vom zivilgesellschaftlichen Engagement in der Kirche oder vom bürgerschaftlichen Engagement der Kirche in der Zivilgesellschaft zu sprechen. Eine so weit gehende Abweichung von der eingeführten und gewohnten Terminologie hätte jedoch vermutlich kaum eine Chance, sich durchzusetzen. Gegenwärtig hätte sie daher im Ergebnis die Wirkungskraft des Gesetzes eher beeinträchtigt, als sie zu fördern. Es bleibt abzuwarten, ob und inwieweit das jetzt als Entwurf vorliegende Gesetz im Laufe der Zeit dazu beitragen kann, dieses am Öffentlichkeitsauftrag der Kirche orientierte Verständnis des ehrenamtlichen Engagements zu befördern. In der Folge könnte dieses Gesetz dann in einigen Jahren in diesem Sinne fortentwickelt werden.

II. Im Einzelnen

zu § 1:

§ 1 beschreibt – teilweise in bewusster Anknüpfung an den Wortlaut der Kirchenverfassung – die Grundlagen des ehrenamtlichen Engagements:

  • die Berufung aller Getauften zum allgemeinen Priestertum (Absatz 1 Satz 1; vgl. Artikel 11 Absatz 1 KVerf),
  • die Einladung an alle Menschen, unabhängig von ihrer Kirchenmitgliedschaft am kirchlichen Leben teilzunehmen (Absatz 1 Satz 2; vgl. Artikel 10 KVerf),
  • die Kennzeichnung des ehrenamtlichen Engagements als Mitwirkung an der Verkündigung des Evangeliums in Wort und Tat und die Unterstützung und Förderung der Vielfalt dieses Engagements durch die Landeskirche (Absatz 2),
  • die Gleichwertigkeit von ehrenamtlichem Engagement und beruflichem Dienst (Absatz 3; vgl. Artikel 11 Absatz 2 Satz 3 KVerf),
  • das ehrenamtliche Engagement in der Landeskirche eine Form des zivilgesellschaftlichen Engagements insgesamt und die Zusammenarbeit mit anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen (Absatz 4)

zu § 2:

Absatz 1 stellt klar, dass das Ehrenamtsgesetz als Rahmengesetz für alle Formen des ehrenamtlichen Engagements nur dann gilt, soweit spezielle Gesetze für einzelne Bereiche des ehrenamtlichen Engagements keine inhaltsgleichen oder entgegenstehenden Regelungen enthalten. Daher gehen einerseits entsprechende Regelungen des Lektoren- und Prädikantengesetzes, die Regelungen des Seelsorgegeheimnisgesetzes zur Qualifizierung ehrenamtlich Mitarbeitender in der Seelsorge und die Regelungen über die Rechtsstellung der Mitglieder kirchlicher Leitungsorgane vom Kirchenvorstand bis zur Landessynode den allgemeinen Regelungen des Ehrenamtsgesetzes vor. Andererseits eröffnet die Gestaltung als Rahmengesetz die Möglichkeit, allgemeine Regelungen für das ehrenamtliche Engagement zusammenfassend an einer Stelle zu regeln, ohne dass sie in den speziellen Gesetzen für einzelne Bereiche des ehrenamtlichen Engagements jeweils wiederholt werden müssen.

Absatz 2 enthält eine Legaldefinition des ehrenamtlichen Engagements, die den Definitionen in den Ehrenamtsgesetzen anderer Landeskirchen entspricht. Lediglich in Satz 3 wird im Blick auf die wachsende Bedeutung eines kurzfristig angelegten Engagements (z.B. Mithilfe bei der Vorbereitung des nächsten Gemeindefestes) näher ausdifferenziert, dass ein ehrenamtliches Engagement auf längere Dauer, befristet oder kurzfristig angelegt sein kann. Der Verweis auf § 9 in Satz 2 soll klarstellen, dass eine Zahlung von Auslagenersatz, Aufwandsentschädigungen oder Entschädigungen für Verdienstausfall oder Vertretungskosten der Ehrenamtlichkeit eines Engagements nicht entgegensteht.

Die Kirchenverfassung macht in Artikel 3 Abs. 3 deutlich, dass sich die Vielfalt der Formen kirchlichen Lebens nicht auf die überkommenen rechtlich verfassten Formen wie etwa die Kirchengemeinden und Kirchenkreise beschränkt, sondern dass zu dieser Vielfalt auch nicht rechtlich verfasste Formen wie geistliche Gemeinschaften, Initiativen, Gemeinden für bestimmte Personengruppen oder Gemeinden auf Zeit gehören. Absatz 3 eröffnet die Möglichkeit, die Regelungen des Ehrenamtsgesetzes auf der Grundlage einer besonderen, in ihrer Form nicht festgelegten Vereinbarung auf diese Formen kirchlichen Lebens anzuwenden.

zu § 3:

Die Regelungen in den Absätzen 1, 3 und 4 knüpfen an die Standards 3, 4 und 5 der Standards für das Ehrenamt an. Ähnliche Regelungen finden sich bisher in § 24a Absatz 1 KGO und § 45 Absatz 1 KKO. Absatz 2 Satz 1 stellt klar, dass durch Rechtsvorschrift, also durch Kirchengesetz oder Rechtsverordnung, allgemeine Anforderungen an die mit einem ehrenamtlichen Engagement zu beauftragenden Personen festgelegt werden können. Satz 2 konkretisiert diese allgemeine Regelung insbesondere im Blick auf die fachliche Qualifikation (z.B. von Lektor*innen oder Prädikant*innen oder von ehrenamtlich mit Aufgaben der Seelsorge beauftragten Personen) und die Kirchenmitgliedschaft, die insbesondere bei Mitgliedern kirchlicher Leitungsorgane unverzichtbar ist.

zu § 4:

Die Regelungen in Absatz 1 und 2 über die Beschränkung der Tätigkeit von Personen, die wegen einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung verurteilt wurden, zur Auskunft über ein Strafverfahren und über die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses nach § 30a des Bundeszentralregistergesetzes (BZRG) entsprechen weitgehend den bisherigen Regelungen in § 24a Absatz 7 KGO und § 45 Absatz 1 KKO in der bis Ende 2022 geltenden Fassung. Die Kriterien für den Umfang des Kontakts mit Kindern und Jugendlichen oder Volljährigen in Obhutsverhältnissen (Art, Intensität und Dauer) sind dabei ebenso wie bisher den entsprechenden, in der Kinder- und Jugendhilfe allgemein bekannten Regelungen des § 72a SGB VIII entnommen.

Neu ist allerdings die Verpflichtung in Absatz 3, vor der Aufnahme einer ehrenamtlichen Tätigkeit mit Kindern und Jugendlichen oder mit Volljährigen in Obhutsverhältnissen eine Selbstverpflichtungserklärung oder einen Teamvertrag zum Schutz vor sexualisierter Gewalt zu unterzeichnen.

Absatz 4 entspricht der Regelung in § 5 Absatz 2 des Kirchenvorstandsbildungsgesetzes (KVBG). Angesichts der aktuellen Herausforderungen durch politische Kräfte, die demokratiefeindliche, antisemitische oder andere einzelne Bevölkerungsgruppen ausgrenzende Positionen vertreten, erscheint es über die Tätigkeit im Kirchenvorstand hinaus erforderlich, Personen, die derartige Positionen vertreten oder entsprechende Vereinigungen unterstützen, generell von der ehrenamtlichen Mitarbeit auszuschließen. Wie in § 5 Absatz 2 KVBG bezieht sich Absatz 2 zum einen auf Widersprüche zum Auftrag der Kirche (Artikel 1 KVerf) und zum anderen auf Widersprüche zu den in der Kirchenverfassung beschriebenen Grundsätze der kirchlichen Ordnung. Im Blick sind dabei folgende Aussagen der Kirchenverfassung:

  • die Aussagen über gleichberechtigte Teilhabe (Artikel 2 KVerf),
  • die Aussagen über die Zeugnis- und Dienstgemeinschaft aller Formen kirchlichen Lebens (Artikel 3 Absatz 4 KVerf),
  • die Aussagen über die ökumenische Gemeinschaft der Christenheit (Artikel 4 Absatz 4 KVerf),
  • die Aussagen über die Verbundenheit mit dem jüdischen Volk und die Absage an jede Form von Judenfeindlichkeit (Artikel 4 Absatz 5 Kverf),
  • die Aussagen über die Begegnung und den Dialog mit anderen Religionen und mit Weltanschauungen (Artikel 4 Absatz 6 KVerf),
  • die Aussagen über die eine offene und solidarische Gesellschaft und den auf der Achtung der Menschenwürde und der Menschenrechte gründenden freiheitlichen, demokratischen und sozialen Rechtsstaat (Artikel 5 Absatz 1 Kverf),
  • die Aussagen über den Öffentlichkeitsauftrag der Kirche (Artikel 5 Absatz 2 KVerf) und
  • die Aussagen über das allgemeine Priestertum aller Getauften (Artikel 11 Absatz 1 KVerf).

zu § 5:

§ 5 knüpft teilweise an Standard 5 der Standards für das Ehrenamt und an § 24a Absatz 2 KGO bzw. § 45 Absatz 2 KKO in der bis Ende 2022 geltenden Fassung an. Die Regelungen stellen vor allem klar, dass ein ehrenamtliches Engagement grundsätzlich einer Beauftragung durch das Leitungsorgan der beauftragenden Körperschaft bedarf. Gleichzeitig gehen sie aber auch auf die Besonderheiten ein, die bei kurzfristigen Formen des Engagements erforderlich sind.

zu § 6:

§ 6 knüpft in den Absätzen 1 und 3 an die Standards 11 und 12 der Standards für das Ehrenamt und an § 24a Absatz 3 KGO bzw. § 45 Absatz 3 KKO in der bis Ende 2022 geltenden Fassung an. Ergänzend stellt Absatz 1 Nummer 1 klar, dass die Beendigung eines kurzfristigen Engagements keiner besonderen Handlung oder Erklärung bedarf.

Absatz 2 enthält eine ausdrückliche Ermächtigung für die beauftragende kirchliche Körperschaft, ein ehrenamtliches Engagement zu beenden, wenn eine ehrenamtlich mitarbeitende Person gegen eine ihrer Pflichten verstößt oder sich durch öffentliche Äußerungen oder die aktive Unterstützung einer Vereinigung in Widerspruch zum kirchlichen Auftrag oder zu den Grundsätzen der landeskirchlichen Ordnung stellt (siehe die Begründung zu § 4 Absatz 2). Die Pflichten im Sinne von § 4 Absatz 2 können sich aus den §§ 11 – 13, aber auch aus anderen Rechtsvorschriften ergeben. Die speziellen Regelungen über die Entlassung von Mitgliedern eines Leitungsorgans, beispielsweise § 22 Absatz 2 KVBG für die Entlassung von Mitgliedern eines Kirchenvorstandes, gehen der allgemeinen Regelung des § 6 Absatz 2 allerdings vor (siehe § 2 Absatz 1).

zu § 7:

§ 7 knüpft an die Standards 7 und 10 der Standards für das Ehrenamt und an § 24a Absatz 4 KGO bzw. § 45 Absatz 4 KKO in der bis Ende 2022 geltenden Fassung an. Absatz 1 regelt einen Anspruch auf die für ein Engagement erforderlichen Informationen und Unterlagen und auf freien Zugang zu den notwendigen Räumen und Arbeitsmitteln. Absatz 2 gibt einen organisatorischen Rahmen für einen Austausch, die gegenseitige Beratung und die Beteiligung ehrenamtlich Mitarbeitender vor. Mit Beteiligung ist dabei nicht die Beteiligung an den Entscheidungen kirchlicher Leitungsorgane, sondern die Einbeziehung in Stellungnahmeprozesse zur Vorbereitung einer Entscheidung gemeint (vgl. Nr. II 2 der landeskirchlichen Grundsätze für die Gestaltung von Beteiligungsverfahren; siehe oben unter I.).

zu § 8:

Anknüpfend an Standard 6 der Standards für das Ehrenamt regelt § 8 den Versicherungsschutz für ehrenamtlich Mitarbeitende (Absatz 1) und einen Anspruch auf Rechtsberatung (Absatz 2), wenn ehrenamtlich Mitarbeitenden im Zusammenhang mit ihrem Engagement rechtliche Nachteile drohen, z.B. ein Anspruch auf Unterlassung von Äußerungen im Zusammenhang mit der Wahrnehmung einer ehrenamtlichen Aufgabe. Ein gesetzlicher Versicherungsschutz gegen Unfälle besteht über die Verwaltungsberufsgenossenschaft, und die von der Landeskirche abgeschlossenen Sammelversicherungsverträge schützen ehrenamtlich Mitarbeitende bei fahrlässig verursachten Personen- und Sachschäden Dritter und bei Vermögensschäden der kirchlichen Körperschaften, die durch die Mitglieder kirchlicher Leitungsorgane fahrlässig verursacht wurden.

zu § 9:

Absatz 1 regelt den Anspruch auf Ersatz von Auslagen, die im Zusammenhang mit einem ehrenamtlichen Engagement entstehen. Gemeint sind damit z.B. Reisekosten im Rahmen der landeskirchlichen Reisekostenbestimmungen, Telefon- oder Portokosten oder Auslagen für Bastel- oder Büromaterial. Die Notwendigkeit der Auslagen wird dabei vorausgesetzt. Die Regelung knüpft an Standard 6 der Standards für das Ehrenamt an und entspricht der bisherigen Regelung in § 24a Absatz 5 KGO bzw. § 45 Absatz 5 KKO in der bis Ende 2022 geltenden Fassung.

Die Regelung in Absatz 2 ist neu. Sie formuliert erstmals einen allgemeinen Anspruch auf eine Aufwandsentschädigung, der an die Bestimmungen des staatlichen Einkommensteuergesetzes (EStG) über die Steuerfreiheit von Aufwandsentschädigungen und anderen Einnahmen anknüpft. Bereits während der Vorarbeiten an einem Ehrenamtsgesetz bestand weitgehend Einvernehmen, dass es angezeigt ist, auf eine Regelung über Aufwandsentschädigungen für ehrenamtliches Engagement in einer kirchlichen Körperschaft zuzugehen.

Ein Rückgriff auf die steuerrechtlichen Bestimmungen zur Steuerfreiheit von Aufwandsentschädigungen und anderen Einnahmen bietet sich aus mehreren Gründen an:

  • Die einschlägigen Bestimmungen des staatlichen Steuerrechts dienen demselben Zweck wie mögliche kirchenrechtliche Regelungen über Aufwandsentschädigungen, nämlich einer Förderung und Unterstützung des ehrenamtlichen Engagements. Unter diesem Gesichtspunkt erscheint es auch innerkirchlich gerechtfertigt, trotz der grundsätzlichen Unentgeltlichkeit eines ehrenamtlichen Engagements (§ 2 Absatz 2) Aufwandsentschädigungen auch für ehrenamtliches Engagement in der Kirche zuzulassen. Aufwandsentschädigungen entsprechen der gewachsenen Verantwortung ehrenamtlich Mitarbeitender. Außerdem ist daran zu erinnern, dass ehrenamtliches Engagement in der Kirche nach § 1 Absatz 4 als Teil des allgemeinen zivilgesellschaftlichen Engagements betrachtet wird, in dessen Zusammenhang Aufwandsentschädigungen durchaus üblich sind. Vor diesem Hintergrund wäre es auf Dauer widersprüchlich, wenn sich unsere Kirche der Einsicht verschließen würde, dass dieses Engagement in dem vom Steuerrecht beschriebenen Grenzen auch finanzielle Konsequenzen rechtfertigt.
  • Für die Auslegung und Anwendung der einschlägigen Bestimmungen gibt es leicht zugängliche Hinweise wie insbesondere das Merkblatt des Niedersächsischen Finanzministeriums zum Thema Ehrenamt und Einkommensteuer vom 17. November 2021. Ergänzend können die Kommentierungen zu den einschlägigen Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes oder die Expertise örtlicher Steuerberater*innen herangezogen werden.
  • In den bisherigen innerkirchlichen Diskussionen spielten die steuerrechtlichen Bestimmungen zur Steuerfreiheit von Aufwandsentschädigungen häufig eine wichtige Rolle; das Thema ist vielen Verantwortlichen daher durchaus geläufig. Eine Umsetzung scheiterte bisher allerdings daran, dass es keine innerkirchliche Rechtsgrundlage gab, die es erlaubte, Aufwandsentschädigungen in dem Umfang zuzulassen, wie sie steuerrechtlich steuerfrei gestellt waren.
  • Die Bezugnahme auf das staatliche Steuerrecht stellt sicher, dass sich Änderungen des staatlichen Steuerrechts unmittelbar auch im kirchlichen Rechtsbereich auswirken. Eine ungewollte Steuerpflicht kann also gar nicht erst entstehen.

Im Zusammenhang mit dem ehrenamtlichen Engagement in einer kirchlichen Körperschaft kommen grundsätzlich drei Steuerbefreiungstatbestände in Betracht:

  • Leistungen aus öffentlichen Kassen (§ 3 Nr. 12 Satz 2 EStG):
    Steuerfrei sind danach Bezüge, die als Aufwandsentschädigungen aus öffentlichen Kassen an öffentliche Dienste leistende Personen gezahlt werden, soweit nicht festgestellt wird, dass sie für Verdienstausfall oder Zeitverlust gewährt werden oder den Aufwand, der dem Empfänger erwächst, offenbar übersteigen. Das bereits erwähnte Merkblatt des Nds. Finanzministeriums nennt in diesem Zusammenhang u.a. die Mitglieder der kommunalen Parlamente, der Freiwilligen Feuerwehren, ehrenamtlich tätige kommunale Beauftragte wie die Gleichstellungsbeauftragten und ausdrücklich auch die Lektor*innen und Prädikant*innen der evangelischen Kirche. In Parallele zu den kommunalen Beauftragten und den Mitgliedern von Kommunalparlamenten könnte unter Bezugnahme auf diese Regelung den Mitgliedern oder zumindest den Vorsitzenden kirchlicher Leitungsorgane, insbesondere den Vorsitzenden von Kirchenvorständen größerer Kirchengemeinden, Kirchengemeindeverbänden oder Gesamtkirchengemeinden, den Vorsitzenden einer Kirchenkreissynode oder den stellvertretenden Vorsitzenden eines Kirchenkreisvorstandes während einer Vakanz des Superintendentenamtes, den Beauftragten einer kirchlichen Körperschaft (§ 50 Absatz 1 Nummer 3 KGO, § 36 KKO) oder ehrenamtlich Mitarbeitenden in leitender Funktion (z.B. Leitung eines größeren Besuchsdienstes oder einer Tafel eine Aufwandsentschädigung gezahlt werden.
  • Übungsleiterpauschale (§ 3 Nr. 26 EStG):
    Die Steuerfreiheit einer Übungsleiterpauschale, die bis zur Höhe von 3.000 € im Jahr in Betracht kommt, setzt eine pädagogische Ausrichtung der Tätigkeit voraus; die beauftragte Person muss also auf andere Menschen durch persönlichen Kontakt Einfluss nehmen, um auf diese Weise deren geistige und körperliche Fähigkeiten zu entwickeln und zu fördern. Als Beispiele werden in dem genannten Merkblatt des Nds. Finanzministeriums ausdrücklich Chorleiter*innen und Orchesterdirigent*innen genannt,  also auch ehrenamtlich tätige Leitungen von Kirchenchören und Posaunenchören.
  • Ehrenamtspauschale (§ 3 Nr. 26a EStG):
    Bis zur Höhe von 840 € im Jahr kommt eine allgemeine Steuerbefreiung für Einnahmen aus einer Tätigkeit im gemeinnützigen, mildtätigen der kirchlichen Bereich in Betracht. Wenn diese Grenze nicht überschritten wird, ist diese Steuerbefreiung der einfachste Weg, eine Aufwandsentschädigung für ehrenamtliches Engagement zu erreichen. Eine andere Steuerbefreiung kann dann allerdings nicht mehr in Anspruch genommen werden.

Steuerbefreiungen nach den genannten Befreiungstatbeständen kommen im Prinzip sowohl bei selbständigen als auch bei nichtselbständigen Tätigkeiten in Betracht. Bei Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit kann aber u.U. ein Lohnsteuerabzug und im Gefolge auch eine Sozialversicherungspflicht erforderlich werden. Außerdem besteht die Gefahr, dass Schutzrechte für Arbeitnehmer*innen unterlaufen werden. Daher sieht der Gesetzentwurf vor, dass die Möglichkeit zur Gewährung einer Aufwandsentschädigung auf selbständige Tätigkeiten (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 EStG) beschränkt bleibt. Die Abgrenzung von selbständigen und unselbständigen Tätigkeiten hängt in Anlehnung an § 611a des Bürgerlichen Gesetzbuches von den Gesamtumständen des Einzelfalls ab. Weisungsgebunden ist, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Nach dieser Definition liegt u.a. bei Chorleiter*innen, nicht aber bei Organist*innen eine selbständige Tätigkeit vor.

Absatz 3 regelt die Zuständigkeitsverteilung für Regelungen über Aufwandsentschädigungen, die die Rahmenregelung des Absatzes 2 konkretisieren. Um die nötige Transparenz dieser Regelungen zu sichern, ist entweder eine allgemeine Regelung durch Rechtsvorschriften (Kirchengesetze, Rechtsverordnungen wie z. B. die Lektoren-Entschädigungsverordnung) oder Verwaltungsvorschriften (wie z.B. die Regelungen über die Aufwandsentschädigungen für die Mitglieder der kirchlichen Gerichte) der Landeskirche oder durch die Finanzsatzungen der Kirchenkreise vorgesehen.

Absatz 4 überträgt die Entscheidung über Entschädigungen für den Verdienstausfall und für Vertretungskosten der ehrenamtlich tätigen Mitglieder von Leitungsorganen der kirchlichen Körperschaften wegen der Unterschiedlichkeit der Verhältnisse auf die jeweiligen Leitungsorgane. Als Beispiel für derartige Regelungen wird auf die Regelungen für die Mitglieder der Landessynode (Aktenstück Nr. 7A vom 25. Juni 2020 und Aktenstück Nr. 7B vom 24. Mai 2021) hingewiesen.

zu § 10:

§ 10 weist auf die Ehrenamtskarte Niedersachsen/Bremen und auf andere kommunale Vergünstigungen für ehrenamtliches Engagement hin. Um die Inanspruchnahme durch antragsberechtigte ehrenamtlich Mitarbeitende zu ermöglichen, enthält Absatz 2 eine Sollbestimmung, dass die kirchlichen Körperschaften sich gegenüber den zuständigen Stellen als teilnehmende Organisationen registrieren lassen sollen.

zu § 11:

Vor dem Hintergrund belastender Konflikte in einigen Kirchengemeinden und Kirchenkreisen der Landeskirche regelt § 11 eine allgemeine Verpflichtung aller ehrenamtlich Mitarbeitenden, ihr Engagement mit Achtung gegenüber anderen ehrenamtlich oder beruflich Mitarbeitenden wahrzunehmen. Anknüpfend an eine ähnliche Regelung in § 26 Absatz 4 des Pfarrdienstgesetzes der EKD, konkretisiert Satz 2 die allgemeine Verpflichtung zur Achtung gegenüber anderen im Sinne einer Verpflichtung, alles zu unterlassen, was den Dienst anderer ehrenamtlich oder beruflich Mitarbeitender erschweren kann. Bei der Anwendung und Auslegung der in § 11 geregelten Pflichten ist zu bedenken, dass deren Verletzung nach § 6 Absatz 2 zur Entlassung einer ehrenamtlich mitarbeitenden Person führen kann.

zu § 12:

§ 12 regelt die Verschwiegenheitspflicht, die bisher in § 23 Absatz 2 und 3 KGO bzw. in § 43 Absatz 2 und 3 KKO in der bis Ende 2022 geltenden Fassung enthalten war.

zu § 13:

§ 13 regelt die Pflichten ehrenamtlich Mitarbeitender, die dem Schutz anderer vor sexualisierter Gewalt dienen sollen. Die Regelungen zum Abstands- und Abstinenzgebot (Absatz 1) und zur Melde- und Beratungspflicht (Absatz 2) waren bisher in § 24a Absatz 8 und 9 KGO bzw. in § 45 Absatz 9 und 10 KKO in der bis Ende 2022 geltenden Fassung geregelt. Neu ist die Verpflichtung ehrenamtlich Mitarbeitender, alle fünf Jahre erneut ein erweitertes Führungszeugnis nach § 30a des Bundeszentralregistergesetzes (BZRG) vorzulegen (Absatz 3). Die Verpflichtung zur Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen zur Prävention gegenüber sexualisierter Gewalt für alle ehrenamtlich Mitarbeitenden, die in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen oder mit Volljährigen in Obhutsverhältnissen tätig sind oder Leitungsaufnahmen wahrnehmen, wurde auf Grund eines Beschlusses der Landessynode während ihrer Tagung im Juni 2024 in den Gesetzentwurf aufgenommen. Sie war bisher in den landeskirchlichen Grundsätzen für die Prävention, Intervention, Hilfe und Aufarbeitung in Fällen sexualisierter Gewalt vom 26. Januar 2021 (Kirchl. Amtsbl. S. 40) enthalten und soll nunmehr auf gesetzlicher Ebene geregelt werden. Die landeskirchlichen Grundsätze bleiben weiter von Bedeutung, weil sie nähere Regelungen zum Curriculum der Fortbildungsveranstaltungen enthalten.

zu § 14:

§ 14 regelt die Haftung ehrenamtlich Mitarbeitender für vorsätzlich oder grob fahrlässig verursachte Schäden. Wenn ein Schaden durch eine Versicherung abgedeckt ist, beschränkt sich die Haftung auf eine von der Versicherung geforderte Selbstbeteiligung. Anders als die bisherigen Haftungsregelungen in § 24a Absatz 6 KGO und § 45 Absatz 6 KKO in der bis Ende 2022 geltenden Fassung ist die neue Haftungsregelung nicht mehr als haftungsbeschränkende, sondern als haftungsbegründende Norm konzipiert.

zu § 15:

§ 15 knüpft an die Standards 2, 9 und 10 der Standards für das Ehrenamt an. Die Formulierungen, die eine Verpflichtung der kirchlichen Körperschaften, aber keinen individuellen Anspruch regeln, sind angelehnt an ähnliche Regelungen in anderen Landeskirchen, einschließlich der Erwartung, dass ehrenamtlich Mitarbeitende bereit sind, die Begleitung ihres Engagements anzunehmen. Die fachliche Begleitung umfasst bei Bedarf auch die Begleitung in Konflikten.

zu § 16:

Anknüpfend an Standard 8 der Standards für das Ehrenamt regelt § 16 das Recht und die Pflicht zur Fortbildung. Die Möglichkeit, Supervision oder Coaching in Anspruch zu nehmen, wird nicht mehr auf ehrenamtlich Mitarbeitende in leitender Funktion beschränkt. Sie steht grundsätzlich allen ehrenamtlich Mitarbeitenden offen, allerdings unter der für alle Interessierten geltenden Voraussetzung, dass Supervision oder Coaching für den Dienst erforderlich ist. Außerdem haben sowohl die Landeskirche als auch die Kirchenkreise die Möglichkeit, nähere Regelungen zu treffen.

zu § 17:

§ 17 verpflichtet die Kirchenkreise zur Bestellung von Beauftragten für ehrenamtliches Engagement.

zu § 18:

§ 18 enthält Regelungen zur Änderung anderer Gesetze, die aus Anlass des Inkrafttretens des Ehrenamtsgesetzes notwendig sind:

  • Die Regelungen, die das ehrenamtliche Engagement bisher in der Kirchengemeindeordnung und in der Kirchenkreisordnung regelten, werden aufgehoben.
  • Im Hinblick auf die neu eröffnete Möglichkeit, eine Aufwandsentschädigung zu zahlen, wird die in ihrer Reichweite unklare und in der Handhabung aufwändige Regelung über eine Aufwandsentschädigung bei einem außergewöhnlichen Arbeitsumfang von Mitgliedern eines Kirchenvorstandes (§ 28 Absatz 2 KGO) aufgehoben.
  • Die vorgeschlagenen Änderungen des Kirchenvorstandsbildungsgesetzes und der Kirchenkreisordnung ermöglichen künftig ausdrücklich eine Entlassung von Mitgliedern eines Kirchenvorstandes oder einer Kirchenkreissynode, die sich weigern, an einer Fortbildungsveranstaltung zur Prävention gegenüber sexualisierter Gewalt teilzunehmen. Über die Verweisung in § 31 Absatz 2 KKO gilt diese Entlassungsregelung auch für Mitglieder eines Kirchenkreisvorstandes.