Der vorliegende Gesetzentwurf enthält erstmals eine Zusammenfassung der rechtlichen Grundlagen für die ehrenamtliche Mitarbeit in der Landeskirche. Bislang waren die erforderlichen Regelungen – anders als in den meisten anderen Landeskirchen – in die Kirchengemeindeordnung (§ 24a) und in die Kirchenkreisordnung (§ 45 der bis zum 31. Dezember 2022 geltenden Kirchenkreisordnung, der bis zum Inkrafttreten neuer Regelungen fortgilt) integriert.
Ziel des Gesetzentwurfes ist es, attraktive Arbeitsbedingungen für das sich verändernde ehrenamtliche Engagement in einer sich verändernden Kirche zu ermöglichen und diese in ausreichendem Maß rechtlich und organisatorisch abzusichern. Gleichzeitig soll der Gesetzentwurf Räume für künftige Entwicklungen öffnen und nicht zu viel regulieren.
Aufbauend auf Vorarbeiten der 25. Landessynode wurde der Gesetzentwurf entsprechend den landeskirchlichen Grundsätzen für die Gestaltung von Beteiligungsverfahren vom 28. November 2019 (Kirchl. Amtsbl. 2020, S. 56) seit Februar 2021 von einer Arbeitsgruppe erarbeitet, der unter Federführung der Landespastorin für Ehrenamtliche zwei Vertreter*innen aus dem Referat für Kirchenentwicklung und Visitation sowie der Rechtsabteilung des Landeskirchenamtes, drei Mitglieder des Ausschusses für kirchliche Mitarbeit der Landessynode und der Studienleiter für Theologie und Ethik aus der Evangelischen Akademie Loccum angehörten.
Die wichtigsten Arbeitsschritte der Arbeitsgruppe sind in dem Bericht des Ausschusses für kirchliche Mitarbeit betr. Vorbereitung eines Ehrenamtsgesetzes vom 1. November 2023 (Aktenstück Nr. 84) zusammenfassend beschrieben. In der Schlussphase der Beratungen sind noch Regelungen hinzugekommen, die auf die Beschlüsse der Landessynode zur Prävention gegenüber sexualisierter Gewalt während der Tagung im Juni 2024 zurückgehen.
Wesentliche Meilensteine auf dem Weg zu dem vorliegenden Gesetzentwurf waren zwei Fachtagungen:
- die Tagung „Freiwilliges und berufliches Engagement in der Kirche von morgen“ vom 08. - 09. Juli 2022 in der Evangelischen Akademie Loccum, die mit 60 Teilnehmenden die wachsende Bedeutung des Ehrenamtes in der Kirche von morgen näher untersuchen und Herausforderungen identifizieren sollte, die sich aus dieser Situation ergeben, und
- der Fachtag Ehrenamt am 22. September 2023 im Stephansstift Hannover, der die bisherigen Überlegungen der Arbeitsgruppe nicht nur mit den Positionen kirchlicher Vertreter*innen aus verschiedenen Arbeitsbereichen, sondern auch mit den Erfahrungen von Vertreter*innen aus verschiedenen Bereichen des zivilgesellschaftlichen Engagements außerhalb unserer Kirche abgleichen sollte.
Einvernehmen bestand in der vorbereitenden Arbeitsgruppe darüber, dass die wesentlichen Aussagen der 12 Standards für das Ehrenamt vor dem Hintergrund der Zielsetzung des Gesetzentwurfs eine wichtige Grundlage für ein künftiges Ehrenamtsgesetz bilden sollen. Gleichzeitig war aber auch zu berücksichtigen, dass die 12 Standards für das Ehrenamt vor allem verbindlichere Formen ehrenamtlicher Mitarbeit im Blick haben und auf klare Aufgabenbeschreibungen und geregelte Rahmenbedingungen abzielen. Gegenüber manchen Formen des ehrenamtlichen Engagements, wie sie sich seit der erstmaligen Herausgabe der 12 Standards für das Ehrenamt im Jahr 2013 entwickelt haben, kann eine ungeprüfte Übernahme der Standards daher auch zu einer Überregulierung führen.
Während der Arbeit am Gesetzentwurf und insbesondere durch die beiden Fachtagungen ist deutlich geworden, dass ein Ehrenamtsgesetz für eine Kirche, die sich in einem sich beschleunigenden Transformationsprozess befindet, weitere Herausforderungen berücksichtigen muss:
- Die Vielfalt der Formen, in denen Menschen sich engagieren, wird nicht nur in unserer Kirche, sondern in der gesamten Zivilgesellschaft kontinuierlich größer. Die langfristige Bindung an ein Amt, das ehrenhalber wahrgenommen wird, wird seltener; stattdessen gewinnen neue, stärker projektbezogene und kürzerfristige Formen, die die Begabungen von Menschen aufnehmen und Raum für selbstbestimmtes Engagement eröffnen, zunehmend an Bedeutung.
- Die Konzepte der Kirchenkreise für den Planungszeitraum 2023 – 2028 zeigen die wachsende Bedeutung ehrenamtlichen Engagements in der Verkündigung, der Seelsorge und der Konfirmandenarbeit, also in Arbeitsfeldern, die bisher klassischerweise zu den pastoralen Aufgaben gehört haben. In diesen Arbeitsfeldern stellt sich die Frage nach angemessenen Standards der Qualifizierung und nach einer angemessenen Begleitung dieses Dienstes immer deutlicher.
- Ungeachtet der Verankerung im allgemeinen Priestertum aller Getauften wird es immer wichtiger, ehrenamtliches Engagement in der Kirche in Beziehung zum allgemeinen Kontext zivilgesellschaftlichen Engagements zu setzen, die Rahmenbedingungen des ehrenamtlichen Engagements in der Kirche entsprechend zu gestalten und die Zusammenarbeit mit anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen zu suchen. Das ist nicht zuletzt eine Konsequenz aus dem Öffentlichkeitsauftrag der Kirche, wie er in Artikel 5 Absatz 2 der Kirchenverfassung beschrieben wird, und aus einem daran anknüpfenden Verständnis als Kirche im Sozialraum mit einem Auftrag, der über den kirchlichen Binnenraum hinausgeht.
Es wird noch im Einzelnen darzulegen sein, an welchen Stellen der Gesetzentwurf diese Überlegungen aufnimmt. Wichtig ist es aber zu betonen, dass der Gesetzentwurf aus dem zuletzt genannten Grund anders als die Kirchenverfassung in Artikel 11 Absatz 2 und 3 generell nicht mehr von einem ehrenamtlichen Dienst, sondern vom ehrenamtlichen Engagement in der Kirche spricht. Noch konsequenter wäre es gewesen, vom zivilgesellschaftlichen Engagement in der Kirche oder vom bürgerschaftlichen Engagement der Kirche in der Zivilgesellschaft zu sprechen. Eine so weit gehende Abweichung von der eingeführten und gewohnten Terminologie hätte jedoch vermutlich kaum eine Chance, sich durchzusetzen. Gegenwärtig hätte sie daher im Ergebnis die Wirkungskraft des Gesetzes eher beeinträchtigt, als sie zu fördern. Es bleibt abzuwarten, ob und inwieweit das jetzt als Entwurf vorliegende Gesetz im Laufe der Zeit dazu beitragen kann, dieses am Öffentlichkeitsauftrag der Kirche orientierte Verständnis des ehrenamtlichen Engagements zu befördern. In der Folge könnte dieses Gesetz dann in einigen Jahren in diesem Sinne fortentwickelt werden.