§ 9: Auslagenersatz, Aufwandsentschädigung

Absatz 1

Ehrenamtlich Mitarbeitende haben Anspruch auf Ersatz ihrer Auslagen, die im Zusammenhang mit ihrem Auftrag stehen.

Absatz 2

Sie können für ihre Tätigkeit eine Aufwandsentschädigung erhalten, wenn es sich bei ihrer Tätigkeit nach den Gesamtumständen des Einzelfalls um eine selbstständige Tätigkeit handelt und soweit die Aufwandsentschädigung nach den Bestimmungen des staatlichen Steuerrechts steuerfrei ist.

Absatz 3

Soweit die Landeskirche keine allgemeinen Regelungen trifft, regeln die Kirchenkreise das Nähere in ihren Finanzsatzungen.

Absatz 4

Die Leitungsorgane der kirchlichen Körperschaften können Regelungen über Entschädigungen für den Verdienstausfall und für Vertretungskosten ihrer ehrenamtlich tätigen Mitglieder treffen.

Begründung

Absatz 1 regelt den Anspruch auf Ersatz von Auslagen, die im Zusammenhang mit einem ehrenamtlichen Engagement entstehen. Gemeint sind damit z.B. Reisekosten im Rahmen der landeskirchlichen Reisekostenbestimmungen, Telefon- oder Portokosten oder Auslagen für Bastel- oder Büromaterial. Die Notwendigkeit der Auslagen wird dabei vorausgesetzt. Die Regelung knüpft an Standard 6 der Standards für das Ehrenamt an und entspricht der bisherigen Regelung in § 24a Absatz 5 KGO bzw. § 45 Absatz 5 KKO in der bis Ende 2022 geltenden Fassung.

Die Regelung in Absatz 2 ist neu. Sie formuliert erstmals einen allgemeinen Anspruch auf eine Aufwandsentschädigung, der an die Bestimmungen des staatlichen Einkommensteuergesetzes (EStG) über die Steuerfreiheit von Aufwandsentschädigungen und anderen Einnahmen anknüpft. Bereits während der Vorarbeiten an einem Ehrenamtsgesetz bestand weitgehend Einvernehmen, dass es angezeigt ist, auf eine Regelung über Aufwandsentschädigungen für ehrenamtliches Engagement in einer kirchlichen Körperschaft zuzugehen.

Ein Rückgriff auf die steuerrechtlichen Bestimmungen zur Steuerfreiheit von Aufwandsentschädigungen und anderen Einnahmen bietet sich aus mehreren Gründen an:

  • Die einschlägigen Bestimmungen des staatlichen Steuerrechts dienen demselben Zweck wie mögliche kirchenrechtliche Regelungen über Aufwandsentschädigungen, nämlich einer Förderung und Unterstützung des ehrenamtlichen Engagements. Unter diesem Gesichtspunkt erscheint es auch innerkirchlich gerechtfertigt, trotz der grundsätzlichen Unentgeltlichkeit eines ehrenamtlichen Engagements (§ 2 Absatz 2) Aufwandsentschädigungen auch für ehrenamtliches Engagement in der Kirche zuzulassen. Aufwandsentschädigungen entsprechen der gewachsenen Verantwortung ehrenamtlich Mitarbeitender. Außerdem ist daran zu erinnern, dass ehrenamtliches Engagement in der Kirche nach § 1 Absatz 4 als Teil des allgemeinen zivilgesellschaftlichen Engagements betrachtet wird, in dessen Zusammenhang Aufwandsentschädigungen durchaus üblich sind. Vor diesem Hintergrund wäre es auf Dauer widersprüchlich, wenn sich unsere Kirche der Einsicht verschließen würde, dass dieses Engagement in dem vom Steuerrecht beschriebenen Grenzen auch finanzielle Konsequenzen rechtfertigt.
  • Für die Auslegung und Anwendung der einschlägigen Bestimmungen gibt es leicht zugängliche Hinweise wie insbesondere das Merkblatt des Niedersächsischen Finanzministeriums zum Thema Ehrenamt und Einkommensteuer vom 17. November 2021. Ergänzend können die Kommentierungen zu den einschlägigen Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes oder die Expertise örtlicher Steuerberater*innen herangezogen werden.
  • In den bisherigen innerkirchlichen Diskussionen spielten die steuerrechtlichen Bestimmungen zur Steuerfreiheit von Aufwandsentschädigungen häufig eine wichtige Rolle; das Thema ist vielen Verantwortlichen daher durchaus geläufig. Eine Umsetzung scheiterte bisher allerdings daran, dass es keine innerkirchliche Rechtsgrundlage gab, die es erlaubte, Aufwandsentschädigungen in dem Umfang zuzulassen, wie sie steuerrechtlich steuerfrei gestellt waren.
  • Die Bezugnahme auf das staatliche Steuerrecht stellt sicher, dass sich Änderungen des staatlichen Steuerrechts unmittelbar auch im kirchlichen Rechtsbereich auswirken. Eine ungewollte Steuerpflicht kann also gar nicht erst entstehen.

Im Zusammenhang mit dem ehrenamtlichen Engagement in einer kirchlichen Körperschaft kommen grundsätzlich drei Steuerbefreiungstatbestände in Betracht:

  • Leistungen aus öffentlichen Kassen (§ 3 Nr. 12 Satz 2 EStG):
    Steuerfrei sind danach Bezüge, die als Aufwandsentschädigungen aus öffentlichen Kassen an öffentliche Dienste leistende Personen gezahlt werden, soweit nicht festgestellt wird, dass sie für Verdienstausfall oder Zeitverlust gewährt werden oder den Aufwand, der dem Empfänger erwächst, offenbar übersteigen. Das bereits erwähnte Merkblatt des Nds. Finanzministeriums nennt in diesem Zusammenhang u.a. die Mitglieder der kommunalen Parlamente, der Freiwilligen Feuerwehren, ehrenamtlich tätige kommunale Beauftragte wie die Gleichstellungsbeauftragten und ausdrücklich auch die Lektor*innen und Prädikant*innen der evangelischen Kirche. In Parallele zu den kommunalen Beauftragten und den Mitgliedern von Kommunalparlamenten könnte unter Bezugnahme auf diese Regelung den Mitgliedern oder zumindest den Vorsitzenden kirchlicher Leitungsorgane, insbesondere den Vorsitzenden von Kirchenvorständen größerer Kirchengemeinden, Kirchengemeindeverbänden oder Gesamtkirchengemeinden, den Vorsitzenden einer Kirchenkreissynode oder den stellvertretenden Vorsitzenden eines Kirchenkreisvorstandes während einer Vakanz des Superintendentenamtes, den Beauftragten einer kirchlichen Körperschaft (§ 50 Absatz 1 Nummer 3 KGO, § 36 KKO) oder ehrenamtlich Mitarbeitenden in leitender Funktion (z.B. Leitung eines größeren Besuchsdienstes oder einer Tafel eine Aufwandsentschädigung gezahlt werden.
  • Übungsleiterpauschale (§ 3 Nr. 26 EStG):
    Die Steuerfreiheit einer Übungsleiterpauschale, die bis zur Höhe von 3.000 € im Jahr in Betracht kommt, setzt eine pädagogische Ausrichtung der Tätigkeit voraus; die beauftragte Person muss also auf andere Menschen durch persönlichen Kontakt Einfluss nehmen, um auf diese Weise deren geistige und körperliche Fähigkeiten zu entwickeln und zu fördern. Als Beispiele werden in dem genannten Merkblatt des Nds. Finanzministeriums ausdrücklich Chorleiter*innen und Orchesterdirigent*innen genannt,  also auch ehrenamtlich tätige Leitungen von Kirchenchören und Posaunenchören.
  • Ehrenamtspauschale (§ 3 Nr. 26a EStG):
    Bis zur Höhe von 840 € im Jahr kommt eine allgemeine Steuerbefreiung für Einnahmen aus einer Tätigkeit im gemeinnützigen, mildtätigen der kirchlichen Bereich in Betracht. Wenn diese Grenze nicht überschritten wird, ist diese Steuerbefreiung der einfachste Weg, eine Aufwandsentschädigung für ehrenamtliches Engagement zu erreichen. Eine andere Steuerbefreiung kann dann allerdings nicht mehr in Anspruch genommen werden.

Steuerbefreiungen nach den genannten Befreiungstatbeständen kommen im Prinzip sowohl bei selbständigen als auch bei nichtselbständigen Tätigkeiten in Betracht. Bei Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit kann aber u.U. ein Lohnsteuerabzug und im Gefolge auch eine Sozialversicherungspflicht erforderlich werden. Außerdem besteht die Gefahr, dass Schutzrechte für Arbeitnehmer*innen unterlaufen werden. Daher sieht der Gesetzentwurf vor, dass die Möglichkeit zur Gewährung einer Aufwandsentschädigung auf selbständige Tätigkeiten (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 EStG) beschränkt bleibt. Die Abgrenzung von selbständigen und unselbständigen Tätigkeiten hängt in Anlehnung an § 611a des Bürgerlichen Gesetzbuches von den Gesamtumständen des Einzelfalls ab. Weisungsgebunden ist, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Nach dieser Definition liegt u.a. bei Chorleiter*innen, nicht aber bei Organist*innen eine selbständige Tätigkeit vor.

Absatz 3 regelt die Zuständigkeitsverteilung für Regelungen über Aufwandsentschädigungen, die die Rahmenregelung des Absatzes 2 konkretisieren. Um die nötige Transparenz dieser Regelungen zu sichern, ist entweder eine allgemeine Regelung durch Rechtsvorschriften (Kirchengesetze, Rechtsverordnungen wie z. B. die Lektoren-Entschädigungsverordnung) oder Verwaltungsvorschriften (wie z.B. die Regelungen über die Aufwandsentschädigungen für die Mitglieder der kirchlichen Gerichte) der Landeskirche oder durch die Finanzsatzungen der Kirchenkreise vorgesehen.

Absatz 4 überträgt die Entscheidung über Entschädigungen für den Verdienstausfall und für Vertretungskosten der ehrenamtlich tätigen Mitglieder von Leitungsorganen der kirchlichen Körperschaften wegen der Unterschiedlichkeit der Verhältnisse auf die jeweiligen Leitungsorgane. Als Beispiel für derartige Regelungen wird auf die Regelungen für die Mitglieder der Landessynode (Aktenstück Nr. 7A vom 25. Juni 2020 und Aktenstück Nr. 7B vom 24. Mai 2021) hingewiesen.